Wie geht Zukunft?

In unserem Projekt Data Mining und Wertschöpfung beschäftigen wir uns neuerdings auch mit Zukunftsszenarien. Unsere Kolleginnen aus der Gruppe Professionalisierung von Wissenstransferprozessen am Fraunhofer IMW, Inga Döbel und Annamaria Riemer, haben uns zu einem Workshop zu diesem Thema eingeladen.

von Theresa Wenzel

Was erwartet uns wohl? Als ich mit den anderen Team-Mitgliedern – Projektleiter Prof. Dr. Heiko Gebauer, Alexander Arzt, Dr. Sebastian Haugk, Sarah Neuschl und Sonja Ries – zum Konferenzraum gehe, schwirren Bilder von Professor Trelawneys Turmzimmer aus der Harry-Potter-Reihe durch meinen Kopf. Aber auch wenn es eine schöne Abwechslung wäre zur Arbeit am Laptop – ich bezweifle, dass wir Kristallkugeln und Teeblätter zu Rate ziehen werden.

So ist es. Stattdessen liegen bunte Kärtchen und Stifte auf dem Tisch. Bevor wir die benutzen, erklären uns Inga Döbel und Annamaria Riemer ihre Arbeitsweise. Sie haben schon mehrere Zukunftsszenarien für so unterschiedliche Bereiche wie 3D-Druck und Raumfahrt entworfen. Inga Döbel erklärt, wie das abläuft: »Wir sammeln Informationen zu unserem Thema. Das bedeutet eine umfassende Dokumentenanalyse und Datenauswertung. Zusätzlich sprechen wir mit Personen, die sich mit dem Thema beschäftigen oder davon betroffen sind. Konkret heißt es beispielsweise, dass wir die Struktur relevanter Märkte sowie deren Wachstums- und Kostenentwicklung untersuchen. Außerdem betrachten wir die Entwicklung der Rahmenbedingungen und Trends, die einen großen Einfluss auf das Feld haben können. Daraus entwickeln wir Schlüsselfaktoren, die die Basis für die unterschiedlichen Szenarien bilden.«

Annamaria Riemer steuert ein Beispiel bei: »Nehmen wir die Bevölkerungszahl. Die Entwicklung der Bevölkerung hängt in erster Linie von der Geburten- und Sterbeentwicklung ab. Auch räumliche Bewegungen wie Wanderungen und Migration spielen eine Rolle. Es ist aber schwierig, verlässliche Aussagen zu den Auswirkungen des demografischen Wandels auf längere Sicht zu treffen, selbst wenn wir weitere mögliche Einflüsse wie Kriege, Epidemien oder Umweltkatastrophen außer Acht lassen. Wir können nicht unbedingt davon ausgehen, dass Geburtenraten und Lebenserwartung auch in Zukunft so verlaufen werden, wie wir es in der Vergangenheit beobachten konnten. Noch schwieriger ist es, die zukünftige Intensität und Richtung der Zuwanderung abzuschätzen. All diese Faktoren beeinflussen unsere Szenarien. In einem Szenario gehen wir davon aus, dass die Bevölkerungszahl konstant bleibt. Im nächsten nehmen wir an, dass sie schrumpft; im dritten, dass sie wächst. Dies hat unterschiedliche Auswirkungen beispielsweise auf den Arbeitsmarkt.«

Handelt es sich dabei um Vorhersagen? Definitiv nicht, winken die beiden ab. Szenarien sind vielmehr Gedankenexperimente, die mögliche »Zukünfte« skizzieren, indem sie Was-wäre-wenn-Fragen beantworten. Szenarien können zwar auf Prognosen beruhen, manche Entwicklungen kann man jedoch gar nicht präzise prognostizieren. Die verschiedenen Szenarien helfen dabei, die aktuelle Situation besser zu erfassen, mehrere Möglichkeiten für die Zukunft durchzuspielen und sich darauf einzustellen. Daraus entstehen dann beispielsweise strategische Entscheidungen in Unternehmen oder Handlungsempfehlungen für die Politik.

Aber wir wollen ja nicht allgemein über Zukunftsszenarien sprechen, sondern über die künftige Wertschöpfung aus Daten. Konkret wollen wir im Projekt Szenarien für diese Art der Wertschöpfung im Jahr 2030 erarbeiten. Um Ideen weiterentwickeln zu können, ist der Status quo wichtig. Deshalb sprechen wir über die Interviews, die wir bereits mit sächsischen Unternehmen geführt haben. Welche Aussagen lassen sich daraus ableiten? Um diese aufzuarbeiten, brauchen wir nun auch endlich die Kärtchen. Wir schreiben unsere Vorschläge auf und diskutieren anschließend über unsere Erkenntnisse.

© Fraunhofer IMW

Verschiedene Aspekte beeinflussen unserer Meinung nach die Wertschöpfung aus Daten. Wir fassen sie zu fünf Themenkomplexen zusammen: Infrastruktur, Umsetzung in Prozessen, Daten, wirtschaftliche Rahmenbedingen und Mindsets (Kultur). Wenn man sich unsere Kärtchen so ansieht, fällt auf, dass häufig ein Mangel festzustellen ist. Der Breitbandausbau geht nicht voran, wir vermissen Kreativität und Ideen, die Kompatibilität verschiedener Systeme lässt zu wünschen übrig und es fehlt an finanziellen Ressourcen. Dass sich daraus oft Unsicherheiten und Ängste ergeben, ist kein Wunder.

Die Unternehmen wissen nicht, wie sich ihre Daten weiterverwenden lassen. Sie befürchten, komplexe Regelungen wie Datenschutzbestimmungen unwissentlich zu missachten. Einige haben Angst, Arbeitsplätze zu vernichten. Wir sehen aber auch Neugierde und Chancen. Der fortschreitende Fachkräftemangel macht in einigen Bereichen digitale Lösungen, die menschliche Arbeitskraft ersetzen, notwendig. Indem Daten genutzt werden, können die Unternehmen ganz neue Geschäftsgebiete erschließen.

Annamaria Riemer und Inga Döbel sind zufrieden. Daraus lässt sich was machen. Sie schlagen eine Frage vor, die der Entwicklung der Szenarien vorangestellt wird. »Wie sieht die Wertschöpfung aus Daten im Jahr 2030 in Sachsen aus?« Projektleiter Heiko Gebauer ist damit nicht ganz einverstanden. »Das ist mir zu eng gedacht«, kritisiert er. »Ich würde lieber ganz allgemein nach der Wertschöpfung fragen.« Das wiederum ist den beiden Wissenschaftlerinnen zu undifferenziert. Sie haben Sorge, dass eine solche Studie sich nicht genügend von anderen, bereits vorhandenen Studien unterscheiden wird.

In der Diskussion geht es nun hin und her, aber die beiden Seiten nähern sich immer weiter an. Endlich: die Lösung! Ein Alleinstellungsmerkmal für die zu entwickelnden Szenarien ist gefunden. Das wird hier natürlich noch nicht verraten. Ende 2019 soll der Bericht mit den Zukunftsszenarien veröffentlicht werden. Sie dürfen gespannt sein!

 

Mehr Infos zur Gruppe Professionalisierung von Wissenstransferprozessen finden Sie hier.

 

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